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Gianni Costantini

(Cima Moiazza Sud 2878 m - Civetta Gruppe Dolomiten) Das Highlight des Jahres ist geschafft! Vor einem Jahr traf ich einen Kletterer in der Ferrata Cesare Piazzetta der mir von diesem Klettersteig erzählte. Seitdem geisterte diese Tour in meinem Kopf herum. Viele Berichte und Bilder hatte ich in der Zwischenzeit gesehen, sodaß ich auf diesen KS besonders scharf war.


Die Wetteraussichten für die nächsten Tage sind gut und bei Idealbedingungen bin ich auf dem Weg in die Civetta Gruppe. Nach einer Nacht in Agordo stehe ich um 7:30 Uhr auf der Duran-Passhöhe. Beim ersten Tageslicht beginne ich den Anstieg. An der gerade im Umbau befindlichen Carestiato-Hütte vorbei steige ich zum Einstieg hinauf. Keine Menschenseele ist unterwegs und nach kurzer Zeit komme ich doch tatsächlich an einem direkt neben dem Drahtseil wachsenden Edelweiß vorbei. Die Südwände der Moiazza lassen den KS wie eine riesige Arena erscheinen und angespannt blicke ich immer wieder die Wände hinauf um den Routenverlauf zu erkennen. Irgendwo dort oben soll nach den Beschreibungen die als Schlüsselstelle bezeichnete schwierigste Passage liegen. Es ist spannend, wenn die schwerste Stelle des KS noch Stunden vor einem liegt. Man weiß ja nie so recht, wie man selbst diese Stelle beurteilt und erst wenn diese Hürde genommen ist, kann man sich entspannen. So steige ich in einem super Gelände, bei bester Sicherung und Markierung immer weiter nach oben. Nach einer erreichten Schulter geht es ungesichert auf einem abschüssigen Band zu einer weiteren Wandstufe hinüber. Vorsichtig schleiche ich in dem brüchigen Fels Schritt für Schritt voran. Jeden Griff muß ich mir in dem abwärts gerichteten plattigen lockeren Fels genau ansehen. Zum x-ten Mal frage ich mich, warum gerade derartige Passagen nicht gesichert sind. Es ist mir schon klar, daß in dem brüchigen und lockeren Gestein eine massive Drahtseil-Sicherung nicht dauerhaft angebracht werden kann. Aber allein das Vorhandensein eines lockeren Drahtseiles mit wenigen Fixpunkten wäre schon gut. Erst an der wieder beginnenden Sicherung kann ich tief durchatmen und erreiche ohne weitere nennenswerte Anstrengungen die Forcella delle Masenade. Während ich in dem Schrofengelände zur Moiazza Sud hinüber wandere, lasse ich die zurückgelegte Strecke noch einmal vor meinem geistigen Auge vorüberziehen, ohne mich aber an eine besonders schwierige Schlüsselstelle erinnern zu können. Vielleicht kommt sie ja noch denke ich mir und steige an der am nächsten Wandaufschwung beginnenden Seilsicherung weiter nach oben. Zurückblickend sehe ich jetzt 3 Bergsteiger nachkommen. Ich bin also doch nicht alleine in diesem weitläufigen Gebirge. Nach einer weiteren Schrofenplattform erreiche ich den Abzweig zum Engelsband, dem weiteren Verlauf der Ferrata Costantini. Zu verlockend ist für mich nach dem bisherigen Anstieg das Erreichen des Gipfels und deshalb greife ich wieder in das hier beginnende Drahtseil und ziehe mich zum Gipfelgrat hoch.


Den Gipfel der Moiazza Sud könnte man fast übersehen, denn nur einige aufgeschichtete Steinmänner markieren den höchsten Punkt des breiten Gipfelplateaus. Auch die bis jetzt sehr gute Markierung endet hier. Als ich von meiner Gipfelrast aufbreche, kommen die 3 nachfolgenden Bergsteiger auch am Gipfel an. Ein kurzes Hallo und schon trete ich den Abstieg wieder an. Dichter werdende Nebelschleier ziehen jetzt zum Gipfelgrat herauf und ich beeile mich, wieder nach unten zu kommen. Im Geiste suche ich immer noch die so genannte "Schlüsselstelle", was einmal mehr zeigt, wie subjektiv doch die Bewertung von Klettersteigen ist. Meine Schlüsselstelle war jedenfalls nur das weiter oben beschriebene abschüssige ungesicherte Felsband.


Im Nebel folge ich dem Engelsband und komme schließlich weit oberhalb der Biwakschachtel Moiazza-Ghedini die als ein kleiner roter Punkt unter mir auszumachen ist, auf ein weiteres breites abwärts führendes Band. Der ungesicherte Abstieg auf dem plattigen, oft mit grobem Sand bedeckten Fels ist mangels guter Griffe eine weitere für mich äußerst unangenehme Passage. Nur langsam erreiche ich endlich den in einem steilen Kar endenden Wandfuß. Noch immer zieht der Nebel um die hoch aufragenden Felstürme herum, aber immer wieder schafft die Sonne den Durchbruch. Die Biwakschachtel Moiazza-Ghedini ist ein sehr gepflegter Stützpunkt. Außen sorgt ein neuer grüner Anstrich, innen eine saubere Ausstattung mit 4 Matratzen und Decken, sowie einem Tisch für diesen guten Eindruck. Die Länge der Tour sorgt offensichtlich dafür, daß die Bergsteiger den Wert dieser Notunterkunft schätzen und entsprechend behandeln. Die nachfolgenden Bergsteiger tauchen jetzt auch auf als ich mich in die letzte Runde des Costantini begebe. Gut 800 Höhenmeter soll es jetzt teils an Drahtseilen die Lavina dei Cantoi hinunter gehen.


Anfangs geht es an den Fixdrahtseilen schnell hinab, doch ist der Abstieg immer wieder von ungesicherten Passagen unterbrochen. Der Markierung folgend sind lange Strecken abzuklettern. Es ist zwar bei weitem nicht so gefährlich als auf den schon hinter mich gebrachten plattigen Bändern, aber trotz überall vorhandener guter Griffe und Tritte ist weiter volle Konzentration gefordert. Das Gelände ist steil und ein Ausrutscher wäre tödlich. Mechanisch komme ich dem Tal Schritt für Schritt näher. Die Aussicht ist atemberaubend und die Sonne hat wieder die Oberhand gewonnen.


Als ich schließlich auf dem Höhenweg 554 über die Carestiato-Hütte zum Duran Pass zurückwandere, ordne ich diese Tour für mich als die bisher Anspruchsvollste und Schönste ein. Nicht der Schwierigkeitsgrad in den Drahtseilsicherungen bestimmte die Klasse dieser Tour, sondern die Routenführung mit ihrer Länge und dem Anspruch an Klettertechnik und Trittsicherheit im ungesicherten Gelände.

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